Wie Nona und Tubo Weihnachten retteten
© Katharina Britzen
Wenige Tage vor WeihnachtenRiese Paraplü rieb sich die Hände. Was sein Fernrohr von Himmeland verriet, bereitete ihm großes Vergnügen. Sein Plan ging auf! Sie hatten das Loch nicht bemerkt. Lange würde es nicht mehr dauern, bis er zur Tat schreiten und nach Kandelaber zu seiner Burg Zwiebelturm zurückkehren konnte. Mit großem Gepäck. Mit ganz großem Gepäck!
Nona und TuboNona und Tubo, die beiden unzertrennlichen Nesthäkchen langweilten sich meist droben in Himmeland. In Himmeland, der Heimat der Engel. Kaum zu zählen, wie oft sich die beiden auf die Erde oder ins unendliche Weltall träumten. Als einziger Engel in Himmeland hatte Nona auf ihrer Nase fünf Sommersprossen. Verteilt wie auf einem Spielwürfel. Einen Punkt in der Mitte und vier Punkte gleichmäßig drumherum.
Kleider und Röcke waren Nona zuwider. Beim Anziehen maulte sie: "Damit kann man doch nicht richtig toben!", und schlüpfte stattdessen in ihre Hose. Ihre schwarzen Haare trug sie streichholzlang. Trotz ihrer Engelsflügel beherrschte sie die Kunst des Radschlagens wie keine zweite in Himmeland und schaffte fast dreißig Meter am Stück. In Himmeland ein absoluter Rekord. Engel Emilion, der älteste Engel Himmelands, behauptete steif und fest: "Ich bin mir sicher, nicht nur in Himmeland ein Rekord. Sondern im ganzen Universum."
Vor nicht allzu langer Kling-Klong-Zeit - so wird in Himmeland die Zeit genannt - war Nona im Engelstrompetenwald in die Tiefe gestürzt und hatte sich dabei ihren linken Flügel gebrochen. Engelsflügel wachsen aus silberfädrigem Seidengespinst und feinstem gesponnenem Engelshaar und sind sehr biegsam und elastisch. Sind sie allerdings gebrochen, können sie nie wiederhergestellt werden. Seit dem Sturz hing Nonas linker Flügel schlaff herunter. Mehr als fünf Meter Fliegen am Stück schaffte sie seitdem nicht mehr.
Auch wenn es mit dem Fliegen vorbei war, blies Nona keine Trübsal. Hatte sie doch Tubo, ihren besten Freund, der ihretwegen meist auch auf das Fliegen verzichtete. War sie vom Laufen sehr erschöpft, hob Tubo sie einfach Huckepack und trug sie ein Stück des Wegs. Oder sie bewegte sich per Radschlagen weiter. Komischerweise ermüdete sie das kaum. Trotz ihres lahmen Flügels blieb Nona ein Wildfang. Kurz nach dem Unglück hatte Tubo einen schwarzglänzenden Mondstein mit Goldsprenkel im Unterholz gefunden und ihn Nona geschenkt. Nona war darüber ganz aus dem Häuschen, gelten Mondsteine doch als Glücksbringer in Himmeland. Ihnen werden magische Kräfte nachgesagt. Dieser Mondstein begleitete Nona fortan.
Tubo war einen halben Kopf größer als Nona und hatte blonde Engelslocken, haselnussbraune Augen und war noch dürrer als Nona. Was nicht verwunderte, denn er war ein richtiger Zappelphilipp mit Ameisen im Hintern. Ruhigsitzen empfand er ebenso wie Nona als Strafe. Beim Nachdenken vergrub er beide Hände tief in seine Hosentaschen und kaute auf seiner Unterlippe. Ständig träumte er von Abenteuern. Leider hatte Himmeland davon wenig zu bieten. Oft träumten die beiden im Engelstrompetenwald, geschützt unter den tiefhängenden Ästen einer uralten Engelstrompete, von Reisen bis ans andere Ende des Universums.
"Woran denkst du, Tubo?", fragte Nona, als er mal wieder in Gedanken ganz woanders war und in seine Lippe biss.
Mit Sehnsucht in der Stimme gestand er: "Wie wir am leichtesten aus Himmeland verschwinden könnten?"
Nona umschloss ihren Mondstein und meinte zuversichtlich: "Uns fällt noch was ein, Tubo. Dein Mondstein hilft uns bestimmt dabei."
"Er gehört dir, Nona."
"Er gehört uns." Wie zur Besiegelung eines Schwures schlug Nona fünfmal das Rad.
Durfte man doch erst als erwachsener Engel Reisen außerhalb Himmelands unternehmen. Engel verreisen höchst selten, denn sie fühlen sie sich in Himmeland am wohlsten. Über Himmeland wölbt sich ein durchsichtiges Dach, ein Baldachin, der aus Engelslachen gesponnen wird und täglich wächst und wächst. Zusätzlich umgibt eine hohe Mauer Himmeland. Hier in dieser friedlichen Oase inmitten des geheimnisvollen Universums fühlen sich die Engel in Sicherheit. Wenn überhaupt, dann unternahmen Engel mal einen Ausflug über die Milchstraße nach Galaxia, wo die Jojos wohnten, oder bis nach Funkia zu den Sternschnuppen. Doch vom Erwachsensein waren Nona und Tubo noch lange Kling-Klong-Zeit entfernt.
Dennoch fieberte Tubo einer Reise zur Erde entgegen, um endlich die Erdenkinder kennenzulernen, deren Bilder an Himmelands Litfasssäulen prangten. "Ich würde so gerne Gina, Maike, Lisa-Marie, Julius, David und wie sie alle heißen, kennenlernen."
"Ich auch", hatte Nona sehnsüchtig erwidert und ein Rad geschlagen.
Ebenso gern hätten die beiden eine Fahrt durch das unendliche Weltall mit all seinen Sternen, Milchstraßen und Umlaufbahnen unternommen. Viel zu langsam verrann für Nona und Tubo die Zeit bis zum Erwachsensein.
Mitunter liebäugelte Tubo sogar mit dem Himmobil, einer Gondel mit Engelsflügeln, in der Postengel Klaus in der Weihnachtszeit zwischen Himmeland und Erde hin und her pendelte, um Unmengen an Wunschzettel von der Erde nach Himmeland zu befördern. Von Klaus hatte Tubo sich mal die Technik der Gondel erklären lassen. Das Himmobil konnte fliegen, auf vier Rädern fahren und schwimmen. Je nachdem. Klaus hatte ihn sogar mal ein paar Runden durch Himmeland drehen lassen. Tubo war verblüfft gewesen, wie einfach das Himmobil zu bedienen war.
Ungern erinnerten sich Nona und Tubo an ihre Bruchlandung im letzten Herbst. Sie schämten sich noch im Nachhinein über ihre eigene Dummheit. Mit zwei Drahteseln aus dem Spielzeuglager wollten sie über die Milchstraße zur Erde radeln. Was sie damals nicht wussten, war, dass sich das Himmelstor nur mit dem passenden Himmelsschlüssel öffnen lässt. Da sie keinen Himmelsschlüssel besaßen, standen sie vor verschlossenem Tor und mussten umkehren. "Welch eine Blamage, welch eine Blamage!", hatte Tubo gegrummelt, puterrot im Gesicht vor Ärger.
Liliane, die Hüterin des himmlischen Spielzeuglagers, hatte als Erste die fehlenden Räder im himmlischen Spielzeuglager entdeckt und Alarm geschlagen. Daraufhin hatten sich Himmelands Engel auf die Suche nach den beiden gemacht, die sich bereits auf dem Rückweg befanden. Ihnen blieb keine Wahl, als dem fassungslosen Rat der Engel ihren tollkühnen Plan zu beichten.
Engel Emilion, das Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben, hatte gestammelt: "Ihr ... ihr ... ihr wolltet tatsächlich mutterseelenallein zur Erde strampeln? Ihr Knirpse ihr?"
"Ja", hatte Tubo geantwortet.
Nona schlug wie zur Bestätigung dreimal hintereinander das Rad.
"Hör auf damit, Nona! Du brauchst nicht abzulenken", schimpfte das himmlische Raubein Mäschtild.
Engel Bernhard, der Tüftler und Erfinder Himmelands, fragte: "Aber warum? Gefällt es euch denn nicht in Himmeland?"
Tubo hatte herumgedruckst: "Äääh ... hmm ... schon, aber uns ist so langweilig. Hier passiert ja nichts. Alle sind so brav. So lieb."
Dann gestand er dem versammelten Rat der Engel seine und Nonas Lust auf Abenteuer.
Verstehen konnten das Himmelands Engel nicht und die beiden Ausreißer mussten schwören, künftig die Finger von derartigen Ausflügen zu lassen. "Ansonsten wären wir gezwungen, euch unter die besondere Obhut von Engel Mäschtild zu stellen."
Diese Drohung hatte genügt. Sie versprachen es, doch Nona knetete dabei mit der rechten Hand den Mondstein und kreuzte hinterm Rücken beim Schwur die Finger der linken Hand. Tubo vergrub seine Hände in den Taschen. Niemand sah seine gekreuzten Finger, als er schwor, solche Reisen zukünftig zu unterlassen.
Mäschtild war der unbeliebteste Engel in Himmeland. Als Einzige verstand sie es, durch ihre Finger zu pfeifen. Pfeifen erzeugt in Engelsohren ziemliche Schmerzen. Sie war bekannt dafür, nicht so zimperlich und nachsichtig mit den Kleinen zu verfahren. Und sie hielt ihnen schon mal eine Gardinenpredigt. In Mäschtilds Augen waren die erwachsenen Engel Himmelands viel zu gutmütig und nachsichtig.
Nachdem Tubo und Nona geschworen hatten, waren sie entlassen und durften wieder nach draußen zum Spielen. So hörten sie nicht mehr, wie Engel Bernhard anerkennend sagte: "Auch wenn ich es nicht gutheißen kann, aber die zwei haben Mut bewiesen. Und Phantasie. Davon könnten wir alle ein Quäntchen gebrauchen."
In der Tat. Tubos und Nonas Plan hatte den Engeln Respekt abgenötigt. Nur Mäschtild fletschte die Zähne. Wäre es nach ihr gegangen, hätten die beiden eine ganze Woche lang die Straßen von Himmeland fegen müssen.
Zu guter Letzt traf Emilion eine weise Entscheidung: "Im nächsten Jahr werden die zwei mit in die Weihnachtsvorbereitungen eingebunden. Dann fehlt ihnen die Zeit für solche Mätzchen."
Ein schlechtes Gewissen hegten Nona und Tubo der liebenswürdigen Liliane gegenüber, die sich über die zwei Ausreißer empört hatte, was ihr Lispeln noch verstärkte: "Das hat man nun davon! Ich wollte euch eine Freude machen und ihr klaut einfach zwei Fahrräder um abzuhauen. Noch nie ist jemand aus Himmeland abgehauen. Wie kommst du bloß auf solche Ideen, Tubo?" Besorgt hatte sie hinzugefügt: "Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, welche Gefahren dort draußen lauern. Seid froh, hier in Himmeland in Sicherheit zu sein."
Als Tubo wissen wollte, welche Gefahren denn dort lauerten, verdrehte Liliane die Augen. "Viele, Tubo. Schrecklich viele."
Engel Liliane mit der rosa Federboa hatte jahrelang Emilion in den Ohren gelegen - "Auch kleine Engel wollen spielen!" - und darum gebettelt, den Kleinen das Spielzeuglager bis Heiligabend zur Verfügung zu stellen. Zum Dreiradfahren, Rollerblades-Fahren, Fahrrad-Fahren. Bis Emilion und der Rat der Engel endlich zugestimmt hatten, aber zur Bedingung machten: "Aber wenn nur ein einziges Teil in die Brüche geht, hat der Spaß sofort ein Ende." Wie besessen hatten Nona und Tubo damals Fahrradfahren geübt, bis sie freihändig fahren konnten. Die gelenkige Nona konnte schließlich auf einem Bein stehend auf dem Fahrradsattel balancieren. Nie ging etwas zu Bruch und zu Weihnachten erreichte sämtliches Spielzeug den Erdball in tadellosem Zustand.
...
Nun fängt die Geschichte erst richtig an ...
Der Riese Paraplü raubt das gesamte Spielzeuglager aus. Heimlich machen sich Nona und Tubo auf die Verfolgung. Ihre abenteuerliche Reise im Himmobil führt sie quer durch das Universum. Dabei müssen sie gefährliche Abenteuer bestehen und lernen die wunderlichsten Bewohner des Universums kennen. Schließlich gelangen sie zum Planeten Kandelaber und zur Burg Zwiebelturm, in der der gefährliche Riese Paraplü wohnt ...
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